Film des Monats: Dezember 1996
In der Geschichte des Verhältnisses von Wahnsinn und Gesellschaft haben sich Irrenanstalten zu psychiatrischen Kliniken gewandelt. Neben konventionellen Behandlungsmethoden gewinnen auch Musiktheater und Rollenspiel therapeutische Bedeutung für diejenigen, die die Grenzen des Normalen überschritten haben. Von einem derartigen Versuch, mit dem Einstudieren eines Bühnenstücks die Patienten einer Psychiatrie dazu zu bringen, Hemmungen abzubauen und neue Selbstbestätigung zu erfahren, erzählt Mark Joffes Film. Mit der Aufgabe eines "Regisseurs" wird Lewis betraut, ein in diesem Metier unerfahrener Student. Trotz anfänglicher Widerstände der Anstaltsleitung wagt man sich an die Oper "Cosi fan tutte", die von dem stets aktuellen Spiel von Liebe, Treue und Versuchung handelt. Bald verschwimmen die Trennlinien zwischen Normal und Unnormal, zwischen Realität und Fiktion, ohne daß am Ende der Aufführung deutlich ist, was letztlich die Oberhand behält. Allein der Erfolg gibt dem Spiel recht. In einem furiosen Finale gelingt den Spielenden der Ausbruch aus dem verordneten klinischen Alltag.
Der Film nähert sich der Doppelbödigkeit des Geschehens in naiver Weise. Detailgenau zeichnet er nach, wie Lewis sich auf das Vorhaben einläßt, indem er sich den Insassen der Anstalt empathisch öffnet, sie ernst nimmt und immer mehr darauf verzichtet, zwischen Spiel und Leben zu unterscheiden. Kameraführung, Bildaufbau und Szenenwechsel dienen der Durchdringung der verschiedenen Sphären; Farben, Licht und Musik werden gezielt als Vehikel der Botschaft eingesetzt: alles ist wahrscheinlich, die starren Grenzen zwischen Normalem und Unnormalem erscheinen mit einem Male fließend. Neben Tragik und Resignation stehen Situationskomik und Freude über das Gelingen. Der Wille zum Experiment, zum Unkonventionellen wird bejaht, Grenzüberschreitungen sind möglich und notwendig, wenn Menschen reifen sollen.
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