Film des Monats: November 1999
Ihr Buch "Eichmann in Jerusalem" über den Prozess gegen Adolf Eichmann im Jahr 1961 hat Hannah Arendt programmatisch "Bericht von der Banalität des Bösen" untertitelt. Der darin formulierten These folgt der Dokumentarfilm von Eyal Sivan, indem er das überlieferte Videomaterial zum Eichmannprozess durch Auswahl, Schnitt, Bild- und Tonbearbeitung - und vor allem ohne jeden Kommentar - einer filmischen Reflexion über den Zusammenhang von bürokratischer Herrschaft und nationalsozialistischer Massenvernichtungspolitik unterzieht.
Hauptfigur dieses Films ist Adolf Eichmann, der in einem Glaskasten sitzt, immer wieder in Aktenstapeln blättert und mit einem diensteifrigen "Jawoll" die Fragen der Richter und des Anklägers zu beantworten beginnt: Ein Beamter, der als SS-Obersturmbannführer und Leiter des Referates IV-B-4 fü r "Jüdische Angelegenheiten und Evakuierung" im Reichssicherheitshauptamt für die Logistik der Deportation von Millionen europäischer Juden in die Vernichtungslager zuständig war. Ein Spezialist in der Vernichtungsmaschinerie, der jegliche Verantwortung für das Verbrechen von sich weist, indem er sich auf den notwendigen Gehorsam und die pflichtgemäße Unterordnung unter "übergeordnete Mächte" beruft. Selbst Zivilcourage ist ihm nur als bürokratisches Verfahren denkbar, das durch Vorgesetzte legitimiert werden muss. Die Fragen der Richter und der Anklage nach der Verantwortung und der Schuld prallen an diesem Funktionär des Todes ab, der immer wieder nur auf sein korrektes Funktionieren als "Rädchen im Getriebe" verweist.Diese filmische Studie über den autoritären Charakter rückt - trotz unnötiger Dramatisierung in der Bild- und Tonbearbeitung - die bürokratischen Voraussetzungen moderner Menschenrechtsverbrechen ins Zentrum unserer Erkenntnis.
Hintere Grabenstr. 20, Tübingen Tel.:+49 07071 9296-0, Fax: +49 07071 9296-11, info@arsenalfilm.de, www.arsenalfilm.de